Patizipative Kunst
24.10.2024
„Den Prozess als Kern der Erfahrung sehen und nicht nur das Ergebnis“
Dieser zentrale Grundsatz in der Kunsttherapie wird im Alltag oft übersehen. Durch die Zubereitung von Jiaozi, traditionellen chinesischen Teigtaschen, verwandeln wir Kochen und Essen in eine Form der partizipativen Kunst. Wenn wir gemeinsam Zutaten vorbereiten, uns die Arbeitsschritte aufteilen, Jiaozi zusammen formen und schließlich das Ergebnis teilen, fördert dies nicht nur das gegenseitige Kennenlernen und die Kommunikation der Teilnehmer, sondern auch den interkulturellen Austausch, wodurch gleichzeitig soziale und psychische Unterstützung entsteht.
In diesem Ansatz hat mich der Künstler Rirkrit Tiravanija inspiriert: Er lud Publikum in eine Galerie ein, um gemeinsam thailändisches Curry zu genießen, und überwand so die Grenze zwischen Kunst und Alltag. So förderte er die Interaktion und den Austausch zwischen Fremden und machte Kunst zu einem verbindenden Erlebnis.
Neben der Zusammenarbeit und dem Austausch können wir durch Achtsamkeit eine noch reichere Erfahrung ermöglichen. Achtsamkeit hilft uns, ganz im Moment zu sein und die Textur und den Duft der Zutaten bewusst wahrzunehmen, wodurch Ruhe und Entspannung erlebbar werden. Diese achtsame Haltung erlaubt den Teilnehmenden, sich von alltäglichen Gedanken zu lösen und den Kochprozess noch intensiver zu erleben.
Der Kreativbereich von „Kunst-Pause“ bietet den Teilnehmenden Raum, ihre Eindrücke aus dem Zubereitungsprozess in künstlerische Ausdrucksformen zu überführen. Hier kann jede
jederzeit eigene Erfahrungen kreativ darstellen und teilen. Diese nonverbale Ausdrucksweise bereichert nicht nur die individuelle Erfahrung, sondern verstärkt auch die Atmosphäre der gesamten Aktivität. Wir können das Hacken, Formen und Kochen der Jiaozi als verschiedene sensorische Erfahrungen wahrnehmen oder uns auf die Sinneswahrnehmung eines bestimmten Lebensmittels konzentrieren – etwa die Aromen oder die Haptik von Ingwer. Durch Zeichnungen kann das Erlebte dann auf einer tieferen Ebene ausgedrückt werden. Für die, die sich auf diese Erfahrung wirklich einlassen wollen, wird diese Aktivität zu einer Reise in das „Prozesserleben“, fernab vom reinen Ergebnisfokus.
Die Zubereitung von Jiaozi bedeutet jedoch mehr als das Erlernen einer Fertigkeit; sie stärkt das Bewusstsein für persönliche Grenzen und fördert die innere Stabilität. Wenn wir lernen, die Teigtaschen sicher zu formen, ohne dass sie aufplatzen, erleben wir ein Gefühl von innerer Sicherheit und Wandel, das uns zugleich Erfüllung und Beständigkeit vermittelt. Vor allem für Menschen, die im Alltag eventuell mit sozialen Barrieren zu kämpfen haben, kann diese gemeinschaftliche Aktivität ein wertvolles Erlebnis für das eigene Selbstvertrauen und die Freude am Miteinander sein. Unser Ziel ist es also nicht nur, die Methode des Jiaozis zu erlernen, sondern durch diesen gemeinschaftlichen Prozess auch innere Zufriedenheit und persönliches Wachstum zu fördern.